Schwerpunkt: Selber Machen

BRD, 2010
Dauer: 4:29 min + 3:35 min
2 Beiträge von Florian Beck und Christian Schnelting

Schwerpunkt Selbermachen

Beiträge zur neuen Lust am Selbermachen und dem Haus der Eigenarbeit  

Hochbetrieb im Baumarkt: Auch Christoph Wieland tummelt sich zwischen den Regalen – und stöbert mit großem Vergnügen nach Heimwerker-Schnäppchen. Wieland bestätigt damit einen Trend: Seit 1982 ist die Zahl der Baumärkte in Deutschland von 720 auf mehr als 2400 gestiegen – und dort gibt jeder Deutsche durchschnittlich rund 219 Euro aus (Engländer lassen nur 142 Euro in Baumärkten). Im Jahr 2009 hat sich die Umsatzentwicklung in den Baumärkten Deutschlands vom schwachen Einzelhandel abgekoppelt und ist von 17,55 auf 17.9 Milliarden Euro geklettert. Grund dafür ist nicht nur die Sparsamkeit in Zeiten der Krise. Die aktuelle Entwicklung macht nicht bei Heimwerkern halt: Nähen und Stricken erleben zurzeit einen enormen Boom. Der Verkauf der Burda-Schnittmuster (ein Markt, der 20 Jahre rückläufig war) ist in letzter Zeit sprunghaft gestiegen. Dagmar Bily, Chefredakteurin des Magazins „Burda Style“, nennt den Do-it-yourself-Trend „massiv“. Mit Sparsamkeit hat das am allerwenigsten zu tun: „Der Grund ist sicherlich, dass sich modisch interessierte Frauen heutzutage einzigartig kleiden wollen, also dass sie ihren eigenen Stil haben wollen und nicht aussehen wollen wie zehn andere auf einer Party. Und ich glaube, was ein ganz wichtiger Aspekt ist, dass sie etwas mit ihren Händen schaffen wollen.“  Lange hat die Münchnerin Alexandra Stahn diesen Wunsch nur im stillen Kämmerlein ausgelebt, weil sie sich vor den Reaktionen ihrer Umwelt fürchtete. Inzwischen lebt sie ihre Lust daran aus, etwas Einzigartiges zu schaffen.


Irene Stennei ist ein wenig nervös: Die rüstige Rentnerin hat ein zerbrochenes Schaukelpferd auf einer Werkbank vor sich liegen – und will es reparieren. Hilfe dabei bekommt sie nicht nur von ihrem Enkelkind, sondern auch von einer Mitarbeiterin des „Hauses der Eigenarbeit“ in der Münchner Wörthstraße, in dessen Räumen die Werkbank steht. Egal ob Holz- oder Metallbearbeitung, Buchbinderei oder Schmuckherstellung – im Haus der Eigenarbeit können Besucher seit über 20 Jahren vorbeikommen, um Dinge selber zu machen. Wer Hilfe braucht, kann sich gegen eine kleine Gebühr helfen lassen, wer keine braucht, darf (gegen eine noch kleinere Gebühr) einfach machen. „Wir haben Besucher aus allen Generationen, manche kommen sporadisch, viele regelmäßig und einige scheinen sich hier sehr zuhause zu fühlen“, erläutert Elisabeth Redler, die Leiterin des Hauses der Eigenarbeit (HEI), das auf einer Stiftung von Jens Mittelsten Scheid (dem Träger des Stifterpreises 2010) basiert. Auch Richard Christian gehört zu den Stammkunden des HEI. Seit einem Jahr verbringt er so viel Zeit wie möglich hier, um ein Einrad zu bauen. Dabei ist es nicht die Idee, ein Einrad zu haben, die den in München lebenden Engländer so fasziniert. „Es ist das bauen, das machen – und ich könnte richtig darin versinken“, meint der Student der Philosophie. Damit liegt er ganz auf der Linie des HEI, bei dem es nicht zuvorderst um die fertigen Werkstücke geht, sondern um sinnliches Erleben, Selbstfindung, Entschleunigung, und Konzentration – „Sägen und Schweißen für die Seele“ nennt das HEI-Chefin Elisabeth Redler. „Wenn sich ein Gefühl der Schöpferfreude einstellt, wie es mal eine Nutzerin gesagt hat, stärkt das Persönlichkeit und Gesundheit“, erklärt Redler. Irene Stennei hat mittlerweile ihr Schaukelpferd repariert – und ist nicht nur glücklich, sondern auch ein wenig stolz . Wenn sie mit ihrer Enkelin und dem reparierten Schaukelpferd das HEI verlässt, nimmt sie auch das Gefühl mit, etwas aus eigener Kraft schaffen zu können.

Schwerpunkt: Selber Machen
zuletzt im TV:
  • 25.10.2010, 12:15 Uhr - 3sat
    sonntags, TV fürs Leben
  • 24.10.2010, 13:30 Uhr - ZDF infokanal
    sonntags, TV fürs Leben
  • 24.10.2010, 09:02 Uhr - ZDF
    sonntags, TV fürs Leben

DVD-Bestellung