Tiere vor Gericht

BRD, 1998
Dauer: 07:45 min
Ein Beitrag von Florian Beck und Christian Schnelting

72 Katzen eingesperrt auf engstem Raum fand die Polizei in Högertshausen bei Dachau vor, als sie nach Anrufen von Nachbarn in ein unbewohntes Gebäude eindrang. Viele der Tiere litten an Hunger, die meisten an Verhaltensstörungen. Die Polizisten taten, was offensichtlich war: Sie verteilten die Katzen über die Tierheime der Umgebung. Nachbarn und Katzenfreunde dankten es ihnen. Die Staatsanwaltschaft versetzte den Beamten dafür einen Rüffler. Nach Ansicht der zuständigen Staatsanwälte in Landshut reiche diese Haltung, die für die Tiere tödlich hätte enden können, zu einer Strafverfolgung nicht aus, da nur „Vernachlässigung“ nachzuweisen sei. Die Tiere müßten ihrem „Halter“ (vermutlich einem Tierfänger, der bereits im nahen München ein Tierschutz-Verfahren am Hals hat) wieder zurückgegeben werden - selbst wenn Vorbesitzer ihre Katzen wiedererkannt haben. Ein bedauerlicher Justizirrtum, ein Einzelfall im Umgang der Damen und Herren Staatsanwälte mit dem Leid von Tieren? Weit gefehlt! Vor Gericht haben Tiere schlechte Karten, wie die Tierärztin Dr. Petra Maria Sidhorn in einer am kriminologischen Institut Niedersachsen erstellten wissenschaftlichen Untersuchung nachgewiesen hat. Danach wird bei den Tierschutz betreffenden Fällen, die gerichtlich verfolgt wurden, fast doppelt so viel freigesprochen, eingestellt oder von einer Strafe abgesehen wie bei dem Gesamtdurchschnitt aller verfolgten Straftaten. Geht es um Tierschutz, so wird bei Verurteilungen das zur Verfügung stehende Strafmaß sowohl bei Geld- als auch bei Freiheitsstrafen nur mangelhaft ausgeschöpft. Bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz werden weniger als halb so viele Freiheitsstrafen erteilt wie in anderen Bereichen. Bestätigt werden diese Untersuchungsergebnisse durch Berichte aus der Praxis. Bei Staatsanwaltschaften, so berichten Insider (noch) hinter vorgehaltener Hand, werden angesichts der Arbeitsüberlastung und vermeintlich bedeutenderer Fälle „Delikte gegenüber Tieren nicht so mit Nachdruck angegangen“. Dazu werden ganze Problembereiche wie Tiertransporte und kommerzielle Tierhaltung angesichts anderslautender EU-Richtlinien ausgeklammert. Der Kampf um das Wohlergehen der 72 Katzen ist noch nicht beendet: Die Tierheime, denen die Polizei die Katzen anvertraut hat, wollen die Tiere auf keinen Fall dem ehemaligen „Halter“ zurückgeben und sich nötigenfalls der Anordnung der Staatsanwaltschaft widersetzen...

Tiere vor Gericht
zuletzt im TV:
  • 08.09.1998, 00:25 Uhr - ZDF
    Achtung, lebende Tiere!

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