Das Artigo-Projekt

Der verspiele Schwarm

BRD, 2012
Dauer: 5:00 min
Ein Beitrag von Florian Beck und Christian Schnelting

Jeder redet von Schwarm-Intelligenz, kaum einer, weiß, was damit wirklich gemeint ist – und Wissenschaftler der Uni München zapfen sie jetzt an. Mit Online-Spielen. So kann Jedermann den Münchner Kunsthistorikern spielerisch helfen, eine Sammlung von rund 30.000 Kunstwerken per Schlagwort zu erfassen. Schon nach wenigen Monaten haben sich über 10.000 Computernutzer an der unterhaltsamen Suche beteiligt – und die nächsten Projekte gehen bald an den Start. Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach: Ein Computernutzer ruft die Seite www.artigo.org auf – und schon geht es los: Auf dem Bildschirm erscheint ein Bild, das er mit Schlagworten beschreiben soll. Decken sich seine Begriffe mit denen eines anderen Spielers, gibt es Punkte – und nach 60 Sekunden heißt es: Neues Spiel, neues Glück. Das nächste Bild erscheint. Das Angebot der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) hat eingeschlagen: Über 10.000 Benutzer verzeichnet Artigo schon wenige Monate nach seinem Start, über 3 Millionen Schlagworte wurden bereits eingegeben. Der Grund für den Erfolg? „Gerade für Kunstinteressierte bietet Artigo eine gute Möglichkeit, ihr Wissen über Bilder, Künstler, Stile und Epochen spielerisch zu erweitern“, meint Projektleiter Hubertus Kohle, Kunstgeschichte-Professor an der LMU. „Wir aber profitieren von der Fantasie der Spieler und einer beständig wachsenden Sammlung an Schlagworten.“ Ähnlich gehen auch Astronomen in Amerika und Europa vor – sie nutzen die Bereitschaft von interessierten Laien, um die Datenflut moderner Teleskope zu bearbeiten, wo Computer nicht weiterhelfen können. Mit erstaunlichem Erfolg: Sarah Kendrew vom Max-Planck-Institut für Astronomie betreut eines der astronomischen Projekte mit „Citizen Scientists“ und verweist auf erste Erfolge. Win-Win-Situation nennt man so etwas wohl. Und die Sache ist ernsthafter, als sie womöglich klingt: Artigo ist Teil eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über soziale Webplattformen zur Metadatengewinnung und soll die Datengewinnung vor allem in der Geisteswissenschaft auf ein völlig neues Niveau heben. Denn klassische Feldstudien erfassen immer nur einen kleinen Personenkreis, sind zeitaufwendig und teuer. Artigo liefert Ergebnisse per Mausklick – und die an der Studie Mitwirkenden machen auch noch einen großen Teil der Arbeit. Das weckt die Fantasie der Forscher: Eine weitere Anwendung schicken Linguisten diesen Sommer an den Start: Sie wollen zwei Spieler dieselbe Textpassage hören oder lesen und dann nach regionaler Herkunft, sprachlichen Auffälligkeiten klassifizieren lassen. Und die nächsten Projekte stecken schon in der Pipeline.

Das Artigo-Projekt
zuletzt im TV:
  • 10.09.2012, 09:45 Uhr - 3sat
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  • 10.09.2012, 07:00 Uhr - 3sat
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  • 07.09.2012, 18:30 Uhr - 3sat
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