TV-Werbung macht Kinder dick

BRD, 2011
Dauer: 6:25 min
Ein Beitrag von Florian Beck und Christian Schnelting

Eigentlich hat sich die Lebensmittelindustrie verpflichtet, weniger Fernsehwerbung für Kinder zu schalten. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie eine aktuelle Studie der Universität Hamburg zeigt. Dabei könnte weniger Werbung Kinder vor Übergewicht bewahren. Dies legen unzählige Untersuchungen nahe – Dementis der Lebensmittelindustrie zum Trotz.

Die Faktenlage ist besorgniserregend: In Deutschland leiden inzwischen 15 Prozent der drei- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen unter Übergewicht – das sind 50 Prozent mehr als noch vor 20 Jahren. Mehr als sechs Prozent von ihnen gelten als krankhaft fettleibig. Damit hat sich der Anteil seit Ende der 90er-Jahre verdoppelt. Mit jedem zusätzlichen Pfund steigt das Risiko für ernährungsbedingte Krankheiten. Kurz: Es gibt zu viele dicke Kinder in Deutschland - und zu viel Reklame für Naschwerk im Fernsehen.: Der Kinderarzt und Ernährungsfachmann Professor Berthold Koletzko von der Uniklinik München verweist auf Studien der Weltgesundheitsorganisation, die einen klaren Zusammenhang zwischen Werbung und Übergewicht belegen. Vor allem Fernsehwerbung beeinflusst demnach die Vorlieben für bestimmte Speisen und Getränke – für kalorienreiche Süßigkeiten, Fastfood und Limonaden.
Wie intensiv gerade Kinder umworben werden, belegt jetzt eine Studie der Universität Hamburg. „Die Industrie wendet sich gezielt an Kinder“, sagt Studienleiter Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft. Das zeige sich deutlich daran, wann die meisten Werbespots geschaltet werden. Auch die Inhalte der Werbung seien auf sehr junge Zielgruppen abgestimmt. So würden häufig Comicfiguren oder Prominente aus Film und Fernsehen eingesetzt, sagt Effertz. „Alles spricht für eine bewusste Platzierung der Werbung im Umfeld von Kindersendungen.“
Effertz hat die Kinderprogramme von zehn öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern ausgewertet. In 613,5 Stunden Sendezeit zählte er mehr als 16.000 Werbespots. Bei einem Fernsehkonsum von täglich 90 Minuten sehen Kinder so im Durchschnitt 33 Werbespots; über das Jahr summiert sich die Zahl auf mehr als 12.000. Jeder fünfte Spot wirbt für Lebensmittel.

Das Ergebnis der Studie ist auch deshalb brisant, weil die Daten zwischen Oktober 2007 und März 2008 und im Jahr 2010 erhoben wurden. In diesen Zeitraum fällt eine EU-weite Selbstverpflichtung, die sogenannte EU-Pledge, in der sich elf große Lebensmittelhersteller verpflichtet haben, auf Werbung, die auf Kinder unter zwölf Jahren zielt, weitestgehend zu verzichten. Ein Vergleich mit aktuellen Daten jedoch zeige, so Effertz: „Die Situation hinsichtlich der auf Kinder gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel ist trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie schlechter geworden.“ Der Anteil an Werbung für ungesunde Lebensmittel habe in einzelnen Sendern sogar noch zugenommen.
Andrea Moritz vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) verweist darauf, dass es für Deutschland keine Studie gibt, die die Verbindung von Lebensmittelwerbung und Übergewicht belegt. Tatsache ist: Die Branche verdient gut an  Schokolade und Süßigkeiten – und Kinder sind dabei eine besonders interessante Zielgruppe: Sie lernen schneller als Erwachsene – und bis zum Alter von fünf Jahren können sie nicht zwischen Werbung und Nicht-Werbung unterscheiden. Was sie sehen, glauben sie.
Fazit: Der Gesetzgeber muss verbindliche Regelungen treffen – wie in anderen Ländern üblich.

TV-Werbung macht Kinder dick
zuletzt im TV:
  • 02.12.2011, 09:45 Uhr - 3sat
    nano
  • 02.12.2011, 07:00 Uhr - 3sat
    nano
  • 01.12.2011, 18:30 Uhr - 3sat
    nano

DVD-Bestellung